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„Die Metro macht’s nicht mehr lang“. Rezension von Andrej Djakovs Die Reise in die Dunkelheit
Eine Buchbesprechung von Stefan Cimander
Endete Die Reise ins Licht mit der Hoffnung spendenden Aussicht, dass die Überlebenden der St. Petersburger Metro auf der Insel Moschtschny ein Leben in relativer Sicherheit führen könnten, legt in Djakows Die Reise in die Dunkelheit die Detonation eines nuklearen Sprengsatzes das paradiesähnliche Eiland in Schutt und Asche. Für die Überlebenden steht schnell fest, dass die Atombombe aus der Metro stammen muss, floh vor der Verheerung doch eine Unmasse von Menschen auf die Insel. Den Bewohnern der Metro stellen die Seeleute folglich ein Ultimatum: Entweder die Schuldigen der Katastrophe werden ausgeliefert oder die Metro und ihre Bewohner werden ihrerseits liquidiert. Der Stalker Taran willigt widerwillig ein, die Ermittlungen im Auftrag des Metrorates durchzuführen. Gleichzeitig entführen Unbekannte Tarans Stiefsohn Gleb. Die Suche nach dem Massenmörder steht von nun an der Suche nach Gleb hintenan.
Irrungen und Wirrungen
Spoiler Ahead – oder weiter nach der nächsten Überschrift. Die Reise in die Dunkelheit teilt sich in zwei Handlungsstränge, die im letzten Drittel des Buchs zusammenfinden. Im Ersten geht Taran Hinweisen auf Glebs Entführung nach, dabei legt er u.a. die Station der Heiden in Schutt und Asche. Im Imperium der Veganer angekommen, ist er angesichts der sich dort zeigenden Grausamkeiten hin und hergerissen zwischen ethisch-moralischen Prinzipien und seiner Neutralitätspflicht als Ermittler. Sein Zorn siegt und er zückt auch dort seine Waffen. Gleichwohl verschaffen ihm seine Popularität und sein Status als Ermittler Zugang zu allen Stationen, den Taran für seine Interessen zu nutzen weiß.
Unterdessen gelingt es Gleb, seinen Entführern zu entwischen. Auf seiner Reise durch die Metro lernt er Aurora kennen, die ob ihres Wesens so gar nicht in die Metro passen will. Tatsächlich stammt Aurora aus einem geheimen Bunker, dem paradiesähnlichen „Objekt 30“, dessen Existenz unter den Metrobewohnern gerüchteweise erzählt wird. Allerdings scheint jeder, der von der Existenz des Bunkers spricht, vom „schwarzen Vernichter“ getötet zu werden. Aurora stellt sich als die Tochter des „schwarzen Vernichters“ heraus, die ihn wegen seiner Gräueltaten zur Rede stellen will.
Inzwischen hat auch Taran Bekanntschaft mit dem „schwarzen Vernichter“ gemacht und geht den Gerüchten um „Objekt 30“ nach. Seiner Theorie gemäß ist der „schwarze Vernichter“ der Hüter des Geheimnisses und die Bewohner der Metro sind Schutzschild für „Objekt 30“ vor den Mutanten. Um den Exodus aus der Metro zu stoppen, musste die Insel Moschtschny vernichtet werden, damit das Schutzschild bestehen bleibt.
Taran zieht durch die Petersburger Sümpfe zum Refugium des „schwarzen Vernichters“ und stellt, zusammen mit den Seeleuten, diesen. Pachiom, der Waffenhändler, und der „schwarze Vernichter“ sind eine Person. Der Atombombenangriff entsprang einer persönlich motivierten Tat Pachioms, der hoffte, damit wieder Zutritt zum „Objekt 30“ zu bekommen, aus dem er einst wegen Aurora verbannt wurde. Im Refugium treffen sich Taran und Gleb schließlich wieder.
Gelungener Folgeroman
Im Vergleich zum Vorgängerroman fällt auf, dass die Charaktere, insbesondere Taran und Gleb tiefer gezeichnet sind. Es fällt leicht sich in Taran hineinzuversetzen und die Handlungen erscheinen aus der geschilderten Situation heraus plausibler. Erzählerisch macht Djakov einen Schritt vorwärts und der Leser merkt die stilistische Weiterentwicklung des Autors. Er nimmt sich Zeit für Details und die Dialoge sind nicht mehr abgehackt. Das Buch liest sich flüssig und geht auch philosophisch bzw. analysierend deutlich mehr in die Tiefe.
Inhaltlich präsentiert Djakov eine spannende Abenteuergeschichte, die partiell ein wenig an Stirb Langsam erinnert, sich jedoch deutlich an der Inhaltsstruktur von Glukhovskys Metro 2033 orientiert. Das mag wenig kreativ wirken, doch entwickelt Djakov seine eigene Idee, die durchaus sozialkritisch auf die Klassenunterschiede der Gegenwart eingeht. Dabei spart er nicht mit Seitenhieben.
Dagegen erscheint seine Sprachwahl an einigen Stellen drastisch und brutal, z.B. dann, wenn Menschleben mit Kakerlaken und auszumerzenden Geschwüren verglichen werden oder die Schreie von Menschen, die von Granaten zerfetzt werden, wie Musik klingt.
Mit der Schilderung der Metro als „Riesenorganismus“ gelingt es ihm, ein neues Element einzuführen, welches er aber leider nicht weiter ausbaut, nämlich das trotz aller Gegensätze die Stationen aufeinander angewiesen sind. Daneben gibt es weitere inhaltliche Schwächen und Unplausibilitäten. Die düstere Atmosphäre der „postatomaren Reliktwelt“ macht das jedoch weitgehend wett.
Dass das Leben in der Metro seinem Ende zugeht, weil der Mensch sich selbst vernichtet, lässt Djakov gegen Ende immer häufiger durchblicken. „Jeden Tag sterben Menschen. Wie die Fliegen! [Sic!] Und, wohlgemerkt, die meisten fallen nicht Hunger, Strahlung oder Mutanten zum Opfer, sondern gehen bei banalen Messerstechereien drauf.“ Diese düstere Prognose der Zukunft steht dem eher optimistischen Glukhovsky entgegen.
Der Schluss gerät schließlich zu rasant, zu simpel und wirkt letztlich aufgesetzt. Djakov hätte das Ende durchaus in die Länge ziehen können. Die Spannung litt außerdem darunter, dass Djakov zu viel von seiner Auflösung schon vorher ausplauderte.
Fazit
Trotz allem gelingt Djakov mit Die Reise in die Dunkelheit ein lesenswerter Nachfolger mit solider Action, der durchaus mit Glukhovskys Urschrift aufschließen kann. Obwohl ein eigenständiger Fortsetzungsroman, sollten Fans der Metro-Reihe zunächst Piter von Schimun Wrotschek und dann Die Reise ins Licht lesen, da es Bezugnahmen auf die Geschehnisse in den Büchern gibt.