Das Motiv der Barriere

Das Motiv der Barriere

Motive dystopischer Romane II

Schon in den klassischen Dystopien gestalten die Autoren den Handlungsraum in einer Weise, die an die klassischen Utopien erinnert: Der Ort des Geschehens ist von der restlichen Umgebung durch eine Barriere isoliert. Diente diese in Form einer Insel bei Morus noch der glaubhaften Legitimierung des Gesellschaftsentwurfes – so erwächst ihr in den moderneren Anti-Utopien eine symbolische Bedeutung. Sie trennt den Geltungsbereich der dystopischen Ordnung von einem potentiellen Raum der Freiheit ab, auf den sich die Sehnsüchte des Protagonisten direkt oder indirekt beziehen.

In den meisten Dystopien begegnet man dieser Barriere in ihrer einfachen Form als Mauer (Chesterton: Der Napoleon von Notting Hill, Samjatin: Wir, John Christopher: Die Wächter). Einige Autoren gestalten den dystopischen Raum allerdings in einer futuristischeren Form, welche größere Kontrolle verheißt. So entwirft Rufin (nicht als erster) in Globalia durch Kuppeln überdachte Städte  und führt den Protagonisten bei einem Versuch, diese Barriere zu überwinden ein.

Häufig in Verbindung mit nuklearen Katastrophen oder Seuchen befinden sich die Gesellschaften unter der Erde und der Versuch des Protagonisten, aus dem System auszubrechen entspricht dem Vorhaben, die Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden, um an die Oberfläche zu gelangen – selbst wenn diese möglicherweise immer noch verseucht ist (König: Feuerblumen).

Außergewöhnliche Barrieren finden sich z.B. bei Suzanne Collins. In Die Tribute von Panem verhindern nicht nur Gesetze das Überschreiten der Siedlungsgrenzen – diese Regeln bricht die Protagonistin regelmäßig – sondern auch  angeblich genmanipulierte Bienenschwärme das weitere Vordringen in den Raum der Natur, der Freiheit verheißt. Insofern erscheinen hier die psychische und die physische Barriere getrennt, während sich die in Christophers Die Wächter als rein mentale entpuppt – denn die legendäre Mauer ist ein einfacher Maschendrahtzaun. Allerding ist der Raum dahinter keiner der der Freiheit, sondern Teil des kontrollierten.

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