Ein Großteil der in modernen Dystopien beschriebenen Staatsformen lässt sich dem Idealtypus der autoritären Regierungsform zuordnen. Nach Linz unterscheidet sich diese von den totalitären Regimen anhand folgender Merkmale:
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Dem Grad der gelenkten politischen Mobilisierung
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Dem Grad des politischen Pluralismus
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Dem Grad der ideologischen Ausrichtung
Während im Totalitarismus der Grad der politischen Mobilisierung hoch und ein politischer Pluralismus nicht zu erkennen ist, erscheint ersterer in autoritären Regimen eher niedrig zu sein. Zudem lassen sich hier durchaus unterschiedliche politische Richtungen ausmachen – das autoritäre System ist nicht monistisch wie das das totalitäre. Ein weiteres wichtiges Erkennungsmerkmal totalitärer Regime ist das der Ideologie, welche alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens bis ins Private hinein durchdringt. Eine solche lässt sich in autoritären Systemen nicht finden, die Entscheidungsfindung wird hier aufgrund von Mentalitäten getroffen. Aufgrund des Fehlens einer verbindlichen allgemeingültigen ideologischen Grundlage wird häufig aus Praktikabilitätsgründen Zuflucht in bekannten und von der breiten Masse anerkannten Begriffen wie Patriotismus, Moral, Familie etc. gesucht – nicht zuletzt, um die eigene Herrschaft zu legitimieren.
Nähern sich autoritäre Staaten der demokatischen Regierungsform an, so kann man hier nach Merkel von semi-autoritären System sprechen. Erfolgt die Annäherung hingegen zum Totalitarismus hin, so nennt man diese Staaten prätotalitär. (auch: posttotalitäre).
Merkel unterscheidet weiterhin 8 Subtypen real existierender autoritärer Systeme. (z.B. kommunistisch-autoritär, faschistisch-autoritär, korporatistisch-autoritär) Eine Anwendung dieser Realtypen auf die in Dystopien auffindbaren autoritären Systeme erscheint mir jedoch auf den ersten Blick nicht sinnvoll, denn in der Literatur sind – anders als in der Wirklichkeit – der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Literatur:
- Linz, Juan J.: Totalitäre und autoritärer Regime, Berlin, 2000.
- Merkel, Wolfgang: Systemtransformation, Opladen, 1999.
Hallo Rob, mich würde interessieren, was die anderen 5 Typen real existierender autoritärer Systeme bei Wolfgang Merkel sind. Wo würde man die Manipulationen von Menschen in quasi-demokratischen Gesellschaften zuordnen, wie sie PKD des öfteren beschreibt. Gruß urb
Hallo Urb, du kannst eine erläuterte Übersicht auf Wiki finden: http://de.wikipedia.org/wiki/Autoritarismus#Modelle_autorit.C3.A4rer_Regime So generell kann ich da keine Aussage zu treffen. Die Regime, die ich bisher bei PKD gefunden habe, waren keine autoritären. Man muss sich den Einzelfall jeweils genau ansehen – und die Zuordnung erscheint mir nicht leicht – vor allem, da die Fiktion die Grenzen der (eingeschränkten) Systematik sprengt. Ich habe auch noch nicht konket versucht, die Regimetypen auf einzelne Romane anzuwenden… ich weiß also auch noch nicht, ob das überhaupt möglich ist und ob dabei sinnvolle Ergebnisse herauskommen.
Hi Rob, ich sehe schon, dass ich die Nomenklatur etwas überanstrengt habe. Die autoritären und oft sehr hintergründigen Strukturen in demokratischen Gesellschaften sind mit dieser Typologie praktisch nicht zu beschreiben. So haben wir es in der westlichen Welt weniger mit autoritären als vielmehr mit totalitären Systemen zu tun, also mit einer totalen Markt- und Kapitalwirtschaft, die ihre Monopole durchaus auch mit Waffengewalt verteidigt. Ich denke, dass die Denkkapriolen des Philosophen Slavoy Zizek diese Konstellation ganz gut beschreiben: http://www.hyperbaustelle.de/u-blog/2010/09/06/slavoy-zizek-und-die-liberale-utopie/
Ich denke, du hast recht damit, dass die Anwendung der Regime-Typen auf Romane nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigen würden.
Hmm…. könntest du erläutern, wo du totalitäre Systeme in der westlichen Welt erkennst? Ich werde mich mal auf die Suche nach den Aussagen dieses Mannes im Netz begeben und gucken, was der so von sich gibt.
Ja. leider lassen sich die Formen autoritärer Regime nicht so leicht anwenden… aber vielleicht gelingt irgendjemandem ja mal eine sinnvolle Klassifikation
Hi Rob, totalitär sicher nicht im Sinne der üblichen und politisch besetzten Definitionen. Aber die Marktwirtschaft und mit ihr ihre Monopole werden in den USA als totalitär gesetzt! Ich werde diesen Zusammenhang noch einmal in einem Artikel aufgreifen. Wie Liberalität als Ideologie zur Verdeckung von Wirtschaftsinteressen verstanden werden kann, zeigt z.B. Zizek.
Wie neulichens in Freiburg eine alternative Wagenburg gewaltsam geräumt wurde, dacht ich mir auch: dass eben andere Wohnstile nicht toleriert werden, weil ja aller Boden irgendwie möglichst finanziell ausgeschöpft werden muss (es kommen Luxusappartements und dergleichen an die Stelle) – das ist totalitär (neoliberal*).
Die gelenkte politische Mobilisierung verläuft natürlich verdeckt, die Lokalpolitik hat sich mal wieder ohne faktische Legitimation von der Wirtschaft übern Tisch ziehen lassen und das Projekt schlicht für illegal erklärt.
Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob so eine “softe” Gewalt nicht perfider und unwiderstehlicher ist als brachiales Reindreschen – es ist und bleibt Gewalt.
Für den politischen Pluralismus heißt das: Man hat gefälligst in einer Mietwohnung zu leben oder selber Wohneigentum zu haben und nicht nur ein Zelt im Wald, wenn das jeder machen würde, wo kämen wir da hin und überhaupt . . .
* zur Ideologie des Neoliberalismus siehe z.B.
Jean Ziegler, “Die neuen Herrscher der Welt – und ihre globalen Widersacher”, Goldmann 2002, franz. Org. bei le Fayard
- oder eigene Erfahrung ;D
Die Gleichsetzung kann ich leider nicht ganz nachvollziehen. Wenn ich das richtig verstehe, gibt es einen Eigentümer des Geländes – somit ist, wenn man nicht Privatbesitz an Grund und Boden ablehnt, die Besetzung des Geländes abzulehnen, zumal es sich wohl schon um eine Baustelle handelt. Dass man sich eine totalitäre Ideologie auf der Basis des Neoliberalismus vorstellen könnte bzw. das dieser – wie viele andere Philosophien auch – in einer Verabsolutierung totalitäres Potential in sich trägt, steht auf einem ganz anderen Blatt.